Die Medizininformatik in Deutschland hat ihre einst führende Rolle in den letzten Jahrzehnten ein Stück weit eingebüßt. Nachwuchsmangel, Abbau von Lehrstühlen, Brain Drain in attraktivere Berufssparten, Defizite in allen Gesundheitsberufen bezüglich Datenmanagement und Datenanalyse – all dies führte dazu, dass Deutschland auf den explodierenden Bedarf an Fachleuten und Know-how im Rahmen der sich beschleunigenden Digitalisierung im Gesundheitswesen schlecht vorbereitet ist. Zugleich sind auch die Datenbestände in Deutschland so fragmentiert und unzugänglich für übergreifende Datenauswertungen zu Zwecken der medizinischen Forschung und Gesundheitssystementwicklung wie in kaum einem anderen Land Europas. Beide Mängel adressiert das Forschungskonzept Medizininformatik des Bundesforschungsministeriums, das von diesem Ende 2015 veröffentlicht wurde. In dessen Rahmen bilden mehrere Konsortien von Universitätsmedizinstandorten (mit diversen Partnern) eine nationale Medizininformatik-Initiative (MI-I), die sich der Aufgabe stellt, Datenbestände aus Forschung und Patientenversorgung zu integrieren und bundesweit interoperabel verfügbar zu machen. Zugleich werden neue Professuren und Nachwuchsgruppen eingerichtet, Lehre, Fort- und Weiterbildung im Bereich der Medizininformatik werden gestärkt. Die standort- und konsortienübergreifende bundesweite Zusammenarbeit wird von einem Nationalen Steuerungsgremium und einem koordinierenden Begleitprojekt gesteuert. Intensive Abstimmungen mit BMBF, BMG und gematik zur Quervernetzung mit der Telematikinfrastruktur im Bereich der Patientenversorgung wurden bereits begonnen. Nach einer wettbewerblichen Phase 2016/17, an deren Ende eine internationale Begutachtung der von den einzelnen Konsortien erarbeiteten Konzepte stand, startet ab dem 1.1.2018 die Aufbau- und Umsetzungsphase, die mit 150 Mio. Euro über 4 Jahre dotiert ist. Insgesamt erstreckt sich der Förderplan über eine Dekade.
Im Vortrag werden die Planungen und Herausforderungen für die Medizininformatik-Initiative beleuchtet: Welche Hürden stellt der Datenschutz dar? Wie wird Interoperabilität gewährleistet? Welche Partner werden wann in die Initiative einbezogen? Welche Impulse setzt die Initiative insgesamt für die Digitalisierung im Gesundheitswesen?
Die TMF (Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V.) koordiniert das Begleitprojekt zur MI-I gemeinsam mit dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) und dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und stellt die Geschäftsstelle des Nationalen Steuerungsgremiums. Die TMF knüpft hierbei an diverse Vorarbeiten der letzten 18 Jahre an, u.a. die mit den Aufsichtsbehörden abgestimmten Leitfäden zum Datenschutz in der Medizin, Studien zur Elektronischen Patientenakte für Bund und Länder, Fachgutachten zu Datenbeständen und Rechtsfragen der Datennutzung u.a. für den Deutschen Bundestag.
Referent: Sebastian C. Semler, Geschäftsführer TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V., Berlin
- Vortrag S. C. Semler “Die Medizininformatik-Initiative des BMBF – ein grundlegender Beitrag zur Digitalisierung im Gesundheitswesen“
- Veranstaltungsbericht “Die Mission: mehr Wissen und Qualität für Patienten” im Krankenhaus-IT Journal